Was ist eine Patientenverfügung? Brauche ich sie oder reicht auch eine Vorsorgevollmacht aus? Wie erstelle ich eine verbindliche Patientenverfügung und mit welchen Kosten muss ich rechnen? Sind Ärzte an meine Willenserklärung gebunden? Wie können sie von meinem Wille erfahren? Kann ich Behandlungen ganz verweigern? Wer vertritt mich, wenn ich selbst nicht handeln kann?
Fragen über Fragen, die wir in diesem Beitrag beantworten.
INHALTSVERZEICHNIS
Was ist eine Patientenverfügung?
In deiner Patientenverfügung legst du verbindlich fest, welche medizinischen Behandlungen du ablehnst. Deine Festlegung kannst du jederzeit treffen, gesund oder erkrankt; du musst bei der Erstellung entscheidungsfähig sein.
Du möchtest bestimmte medizinische Behandlungen ablehnen, bist bei Beginn der Behandlung jedoch nicht entscheidungsfähig. Liegt eine Patientenverfügung vor, ist die behandelnde Person entweder daran gebunden (verbindliche Patientenverfügung) oder muss sie für die Ermittlung deines Willens zugrunde legen (andere Patientenverfügung).
Die Patientenverfügung hat Auswirkungen auf deine Behandlungen. Sie kann deshalb nur von dir persönlich verfasst werden und ist nur gültig, wenn du sie freiwillig, ohne Zwang abgegeben hat und dabei entscheidungsfähig warst.
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Wann brauchst du eine Patientenverfügung?
Du brauchst eine Patientenverfügung, wenn du dir Situationen vorstellen kannst, in denen du bestimmte Behandlungen ablehnen möchtest, dies aber nicht artikulieren kannst, weil du nicht entscheidungsfähig bist.
Möchtest du, dass alle Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft werden, brauchst du keine Patientenverfügung.
Wann wird deine Patientenverfügung wirksam?
Deine Patientenverfügung wird wirksam, wenn medizinische Behandlungen durchgeführt werden sollen und du nicht entscheidungsfähig bist, also deinen Willen zur Durchführung oder Ablehnung einer Behandlung nicht artikulieren kannst. Eine Notfallversorgung wird durch eine Patientenverfügung nicht beeinträchtigt.
In welchen Situationen soll deine Patientenverfügung gelten?
Hier sind einige Situationen beschrieben, in denen Behandlungen abgelehnt werden:
► Wenn trotz Behandlung nach jetzigen medizinischen Kenntnissen der Tod eintritt
► wenn du nicht mehr schlucken kannst
► wenn die Behandlung nur noch deine Sterbephase verlängert
► bei Demenz im Endstadium
► wenn du dich nach einem Unfall, Herzinfarkt oder Schlaganfall oder einer anderen Erkrankung weder durch Worte noch durch Gesten mehr artikulieren kannst und/oder dauerhaft bettlägerig geworden bist und keine Besserung deines Zustands zu erwarten ist
► bei schwerem irreversiblen Hirnschaden
► wenn du dich unabwendbar in der Sterbephase befindest
Welche Behandlungen willst du ablehnen?
Besprich das mit dem Arzt, der Ärztin deines Vertrauens.
Hier sind beispielhaft einige Behandlungen aufgeführt:
► künstliche Ernährung
► künstliche Beatmung
► Wiederbelebung
► Medizinisch-technische Maßnahmen zur Aufrechterhaltung lebenswichtiger Organfunktionen, z.B. Herz-Lungen-Maschine oder künstliche Herzpumpe
Das Patientenverfügungsgesetz (PatVG)
Das PatVG legt fest wie eine Patientenverfügung erstellt wird, wo sie gespeichert wird und unterwelchen Bedingungen sie abgerufen werden darf. Ärzte und rechtskundige Personen, Notare und Rechtsanwälte sind an die dort getroffenen Regelungen gebunden.
Die verbindliche Patientenverfügung
Mit deiner verbindlichen Patientenverfügung bindest du alle behandelnden Ärzte, deinen Willen zu beachten. Sie haben keinen Interpretationsspielraum. Dein Wille muss konkret die medizinischen Maßnahmen bezeichnen, die du ablehnst.
Der erste Schritt zu einer verbindlichen Patientenverfügung ist ein ärztliches Aufklärungsgespräch. Dieses Aufklärungsgespräch muss privat bezahlt werden. Du musst deine Patientenverfügung nach rechtlicher Belehrung durch einen Rechtsanwalt, Notar oder einen rechtskundigen Mitarbeiter einer Patientenanwaltschaft oder Erwachsenenschutzvereins vor dieser Person erstellen und unterschreiben. Du musst deine Patientenverfügung persönlich erstellen und unterschreiben. Dabei kann dich niemand vertreten. Ist ein Unterschreiben nicht möglich, kann die Zustimmung zur Willenserklärung aber noch erkennbar erklärt werden, sieht das PatVG Lösungen vor.
Andere Patientenverfügungen
Hast du deine Patientenverfügung ohne vorherige ärztliche oder rechtliche Beratung verfasst, ist sie für deine behandelnden Ärzte nicht bindend. Sie berücksichtigen deinen mutmaßlichen Willen für ihre Entscheidung über Durchführung oder Ablehnung einer Behandlung. Je mehr Erfordernisse einer verbindlichen Patientenverfügung erfüllt sind desto mehr ist sie bei der Ermittlung deines Willens zu berücksichtigen.
Wirksamkeit und Gültigkeit von Patientenverfügungen
Wann ist eine Patientenverfügung unwirksam?
Die Erstellung einer Patientenverfügung ist immer freiwillig. Niemand darf dazu gezwungen werden sie abzugeben oder auf eine Patientenverfügung zu verzichten. Wird auf den Ersteller physischer oder psychischer Zwang ausgeübt, wird er getäuscht oder enthält die Patientenverfügung strafrechtlich nicht zulässige Inhalte, z.B. Sterbehilfe ist die Patientenverfügung unwirksam.
Wie lange gilt die Patientenverfügung?
Die verbindliche Patientenverfügung ist 8 Jahre wirksam. Dann muss sie erneuert werden oder sie ist nicht länger verbindlich. Für die Erneuerung musst du dich ärztlich beraten lassen, denn innerhalb von 8 Jahren können neue Behandlungsmethoden möglich sein, die zu einer Änderung deiner Patientenverfügung führen. Eine erneute rechtliche Beratung ist nicht notwendig.
Bist du bei Ablauf der Gültigkeit nicht entscheidungsfähig, gilt deine Patientenverfügung weiter.
Patientenverfügungen, die vor 2019 errichtet wurden
Die Gültigkeit dieser Patientenverfügungen verlängert sich von vorher 5 auf jetzt 8 Jahre, wenn sie die Vorgaben der verbindlichen Patientenverfügung erfüllen. Bei anderen Patientenverfügungen ist keine Frist vorgesehen. Je länger ihre Errichtung zurückliegt umso geringer wird ihre Bedeutung.
Registrierung der Patientenverfügung
Deine Patientenverfügung wird durch die rechtskundige Person, bei der du sie errichtet hast, mit deiner Zustimmung in ELGA zur Verfügung gestellt, wenn du ELGA-Teilnehmer bist.
Die österreichische Notariatskammer und die österreichischen Rechtsanwälte führen Patientenverfügungsregister. Dort können Krankenhäuser Auskunft über registrierte Patientenverfügungen erhalten.
Du kannst deine Patientenverfügung auch bei deiner Vertrauensperson hinterlegen.
Die Hinweiskarte zur Patientenverfügung solltest du immer mit dir führen.
Änderung der Patientenverfügung
Du kannst deine Patientenverfügung jederzeit ändern. Eine geänderte Patientenverfügung wird einer regulär nach acht Jahren erneuerten Patientenverfügung gleichgesetzt. Mit der Änderung beginnt die neue 8-Jahresfrist. Die Änderung ist demnach nur verbindlich, wenn eine ärztliche Aufklärung stattgefunden hat. Die geänderte Patientenverfügung sollte schnellstmöglich registriert werden.
Vertrauensperson und Vertretungsbefugnisse
In deiner Patientenverfügung kannst du eine Vertrauensperson benennen aber auch den Kontakt zu bestimmten Personen ablehnen und Personen bestimmen, die verpflichtend zu informieren sind
Errichtung einer Patientenverfügung
Formulare für Errichtung und Erneuerung einer Patientenverfügung
Die Patientenverfügung ist an keine Form gebunden. Die Nutzung eines Formulars erleichtert die Erstellung. Formulare des Sozialministeriums stehen im Internet zum Download zur Verfügung.
Kosten einer Patientenverfügung
Die ärztliche Beratung ist eine Privatleistung. Die Ärztekammer empfiehlt 120 Euro pro angefangene halbe Stunde. Das ärztliche Honorar kann von der Empfehlung abweichen.
Die Honorare der Rechtsanwälte und Notare sind ebenfalls unterschiedlich. Du musst mit 100 – 150 Euro rechnen. Es empfiehlt sich das Honorar des Rechtsanwalts oder Notars vor der Terminvereinbarung zu erfragen.
Die Eintragung in das Patientenverfügungsregister der Rechtsanwälte oder Notare kostet 15 Euro.
► Mein Tipp:
in Wien kannst du dich kostenlos bei der Wiener Pflege-, Patientinnen- und Patientenanwaltschaft (WWPA) beraten lassen. Hier stehen dir Jurist:innen für Frage und Antwort zur Verfügung. Sie ersetzen quasi den Notar oder Rechtsanwalt und tragen deine Patientenverfügung auch ein.
Fazit
Die Erstellung einer Patientenverfügung will gut überlegt sein. Das Verweigern medizinischer Behandlungen hat erhebliche Konsequenzen. Das PatVG hat hohe Hürden für eine verbindliche Patientenverfügung aufgestellt. Du musst dir gut überlegen, in welchen Situationen du Behandlungen ablehnen willst und welche Behandlungen nicht durchgeführt werden sollen.
► Die Beratung durch einen Arzt und eine rechtskundige Person sind zwingend
► Bitte führe immer die Hinweiskarte auf deine Patientenverfügung mit und suche dir sorgfältig deine Vertrauensperson aus
► Denk an die Erneuerung deiner Patientenverfügung nach 8 Jahren
► Eine Vorsorgevollmacht ersetzt die Patientenverfügung nicht!
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Wir wünschen uns natürlich alle, nie eine Patientenverfügung zu brauchen.
Deshalb: achte gut auf dich, deine Gesundheit und geistige Frische.
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Quellen
Für Vollständigkeit, Richtigkeit und die Verletzung von Urheberrechten übernehmen wir keine Haftung
https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20004723
https://patientenverfügung.lawco.at/jetzt-erstellen.html
https://www.gesundheit.gv.at/gesundheitsleistungen/patientenrechte/patientenverfuegung.html
https://www.herold.at/blog/patientenverfuegung-oesterreich/
https://www.anwaltfinden.at/ratgeber/erbrecht/patientenverfuegung/
https://www.rechtsanwaelte.at/buergerservice/servicecorner/patienten
https://www.wien.gv.at/gesundheit/einrichtungen/patientenanwaltschaft/pdf/patientenverfuegung-bf.pdf
https://www.wien.gv.at/gesundheit/einrichtungen/patientenanwaltschaft/pdf/patientenverfuegung-bf.pdf
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