Versorgungsausgleich in Deutschland

Der Versorgungsausgleich in Deutschland – die gerechte Teilung von Versorgungsansprüchen

Der Versorgungsausgleich ist ein bedeutendes Element des deutschen Familienrechts und stellt die Grundlage einer gerechten Verteilung von Versorgungsansprüchen zwischen geschiedenen Ehepartnern dar. Dieser Artikel führt dich durch das komplexe Terrain des Versorgungsausgleichs – von der Entstehung neuer Anrechte bis zur Wahl zwischen interner und externer Teilung, von der Bedeutung von Eheverträgen bis zur Auswirkung auf Rentner:innen.

Dieser Beitrag stammt von Rechtsanwalt Niklas Clamann aus Münster. Herr Clamann betreibt eine Kanzlei für Familienrecht, mit der er sich insbesondere auf die einvernehmliche Scheidung spezialisiert hat.

INHALTSVERZEICHNIS

Welchen Zweck hat der Versorgungsausgleich?

Der Versorgungsausgleich hat das Ziel, im Fall der Scheidung die während der Ehezeit erworbenen Versorgungsansprüche der Eheleute gerecht zu teilen.

Er basiert auf dem Grundsatz der ehelichen Solidarität. Die eheliche Solidarität besagt, dass Eheleute während ihrer Ehe eine gegenseitige Verantwortung füreinander tragen. Sie sind insbesondere verpflichtet, sich in finanziellen Angelegenheiten zu unterstützen und gemeinsam für ihren Lebensunterhalt zu sorgen.

Der Versorgungsausgleich soll sicherstellen, dass beide Eheleute nach der Scheidung eine angemessene soziale Absicherung haben. So trägt er zur Vermeidung von Altersarmut bei und fördert die wirtschaftliche Gleichstellung der geschiedenen Eheleute.

Wie funktioniert der Versorgungsausgleich?

Der Versorgungsausgleich erfolgt im Rahmen des Scheidungsverfahrens. Er betrifft drei Arten von Versorgungsansprüchen zur Absicherung im Alter oder bei Invalidität:

a. Rentenversicherungsansprüche: Hierbei handelt es sich um Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung, der Beamtenversorgung oder privaten Rentenversicherungen.

b. Betriebliche Altersvorsorge: Dies umfasst Ansprüche aus betrieblichen Altersvorsorgeverträgen, Pensionszusagen und anderen beruflichen Versorgungseinrichtungen.

c. Sonstige Anrechte: Hierzu gehören beispielsweise Ansprüche aus der Riester-Rente oder privaten Lebensversicherungen, wenn am Ende eine Rentenzahlung zwingend vorgesehen ist.

Die Funktionsweise des Versorgungsausgleichs besteht darin, dass die während der Ehe erworbenen Anrechte auf Versorgungen ermittelt und anschließend zwischen den Eheleuten ausgeglichen werden. Hierfür wird grundsätzlich jeder Versorgungsanspruch hälftig geteilt und übertragen. Dies geschieht auf zwei Arten:

a. Interne Teilung: Hierbei entsteht ein individuelles Anrecht im Versorgungssystem des/der ausgleichsverpflichteten Ehepartner:in. Dieses neue Anrecht ist vergleichbar mit der Eröffnung eines persönlichen Kontos oder der Schaffung einer separaten Versorgungsposition. Gleichzeitig wird das Anrecht des/der ausgleichspflichtigen Ehepartner:in entsprechend reduziert. Besitzen beide Eheleute ausgleichspflichtige Anrechte bei demselben Versorgungsträger, wird lediglich die Differenz zwischen den Werten ermittelt und auf den/die Ausgleichsberechtigte:n übertragen.

b. Externe Teilung: Im Gegensatz dazu sehen einige Versorgungsträger in ihren Teilungsordnungen die externe Teilung vor, insbesondere bei betrieblichen Altersvorsorgen. Dies geschieht aus praktischen Gründen, um den/die Arbeitgeber:in vor zusätzlichen Kosten und Verwaltungsaufwand zu bewahren. Bei der externen Teilung wird kein neues Anrecht im Versorgungssystem des/der ausgleichsverpflichteten Ehepartner:in geschaffen. Stattdessen wird der Beitrag, der dem/der ausgleichsberechtigten Ehepartner:in zusteht, an eine von ihm/ihr ausgewählte Zielversorgung überwiesen. Dieser überwiesene Beitrag steht jedoch nicht zur freien Verfügung. Vielmehr muss die Zielversorgung bestimmten Vorgaben entsprechen, beispielsweise der Sicherstellung einer lebenslangen Altersversorgung, der Unübertragbarkeit und der Nichtverwertbarkeit vor dem 60. Geburtstag. Falls der/die ausgleichsberechtigte Ehepartner:in keine Wahl hinsichtlich der Zielversorgung trifft, übernimmt das Familiengericht die Verantwortung und schafft ein Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Versorgungsausgleichskasse.

Vermögensaufteilung bei Scheidung

Wie wird der Versorgungsausgleich durchgeführt?

Der Versorgungsausgleich wird in der Regel im Rahmen des Scheidungsverfahrens vom Familiengericht durchgeführt. Dabei sind verschiedene Schritte zu beachten:

▶︎ Antragstellung: In der Regel erfolgt der Versorgungsausgleich automatisch, es muss nicht gesondert beantragt werden. Ein Antrag ist jedoch erforderlich, wenn die Ehe einschließlich des Trennungsjahres weniger als drei Jahre angedauert hat.

▶︎ Fragebögen: Im Rahmen des Scheidungsverfahrens müssen die Eheleute auf Fragebögen Auskunft geben, welche Versorgungsansprüche bestehen. Das Gericht fordert dann bei den jeweiligen Trägern Auskünfte über die Höhe der Ansprüche an.

▶︎ Berechnung des Ausgleichs: Auf Grundlage der ermittelten Ansprüche berechnet das Gericht den konkreten Versorgungsausgleich, der zwischen den Eheleuten stattfinden soll. Ist der Wertunterschied der beiden Versorgungen gering oder liegen nur kleine Ausgleichswerte vor, soll der Versorgungsausgleich in der Regel nicht durchgeführt werden.

▶︎ Entscheidung und Durchführung: Das Gericht trifft eine Entscheidung über den Versorgungsausgleich. Die praktische Umsetzung erfolgt dann durch die jeweiligen Versorgungsträger.

Scheidung im Alter

Wie kann ich auf den Versorgungsausgleich Einfluss nehmen?

Der Versorgungsausgleich ist grundsätzlich zwingend vorgeschrieben. Eheleute haben jedoch die Möglichkeit, aus den Versorgungsausgleich Einfluss zu nehmen. Sie können den Versorgungsausgleich insgesamt ausschließen und durch anderweitige Ausgleichsleistungen ersetzen, den Ausgleich einzelner Anwartschaften ausschließen oder der Höhe nach begrenzen. Voraussetzung all dieser Vereinbarungen ist jedoch, dass sie über alle bestehenden Anwartschaften vollständig informiert sind. Dazu empfiehlt es sich, schriftliche Anfragen an die jeweiligen Versorgungsträger zu stellen.

Sind die Eheleute umfassend informiert, können sie jederzeit abweichende Vereinbarungen treffen:

▶︎ Vereinbarungen vor und während der Ehe: Bevor die Ehe geschlossen wird oder während der Ehe können die Eheleute einen Ehevertrag abschließen, der Regelungen zum Versorgungsausgleich enthält. Dies ermöglicht eine individuelle Gestaltung der Vermögens- und Versorgungsausgleichsansprüche.

❗️Wichtig: Ein solcher Ehevertrag muss notariell beglaubigt sein, sonst ist er nicht wirksam. Das Gericht kontrolliert den Ehevertrag auf seine Wirksamkeit, eine Genehmigung durch das Gericht ist jedoch nicht erforderlich.

▶︎ Einflussnahme im Scheidungsverfahren: Im Rahmen des Scheidungsverfahrens haben die Eheleute die Möglichkeit, einen Vergleich vor Gericht zu schließen, in dem sie den Versorgungsausgleich ausschließen oder nach ihren Vorstellungen modifizieren.

❗️Wichtig: Zum Abschluss des Vergleichs vor Gericht müssen beide Eheleute jeweils anwaltlich vertreten sein. Das Gericht kontrolliert den Vergleich auf seine Wirksamkeit, eine Genehmigung durch das Gericht ist jedoch nicht erforderlich.

Versorgungsausgleich bei Scheidung im Rentenalter

Sind die Eheleute bereits Rentner und möchten sich scheiden lassen, wird der Versorgungsausgleich dennoch durchgeführt. Ihm werden die während der Ehezeit erworbenen Rentenansprüche zugrunde gelegt. Der Versorgungsausgleich hat jedoch keine Auswirkung auf die laufende Rentenzahlung. Stattdessen erfolgt die Anpassung in der Regel bei der Berechnung der zukünftigen Rentenzahlungen.

Die Regelungen und Auswirkungen des Versorgungsausgleichs können komplex sein. Es ist daher ratsam, sich rechtzeitig rechtlichen Rat einzuholen, um die individuellen Möglichkeiten zu verstehen und zu berücksichtigen.

Ein gelungener Versorgungsaugleich trägt dazu bei, die wirtschaftliche Stabilität und soziale Sicherheit der geschiedenen Eheleute zu berücksichtigen und ist somit ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer gerechteren Gesellschaft für alle.

Scheidung im Rentenalter
Niklas Clamann

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Niklas Clamann

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