Was kommt nach der Karriere? Diese Frage beschäftigt viele Menschen 50+.
Für Dr. Gerhard Drexel, langjähriger CEO und heutiger Aufsichtsratsvorsitzender der SPAR-Gruppe, ist die Antwort klar: Der Ruhestand ist kein Rückzug – sondern eine Chance zur persönlichen Weiterentwicklung.
In seinem zweiten, aktuellen Buch „Irrtum Ruhestand“ räumt er auf mit überholten Vorstellungen vom Altern und zeigt, wie wir das Leben nach dem Beruf aktiv, sinnvoll und erfüllt gestalten können.
Wir BestAger war dabei bei der Buchpräsentation in Wien.
Drexel spricht über den sanften Übergang in den Ruhestand, über Sinnfindung, soziale Netzwerke und die Kraft neuer Aufgaben. Mit persönlichen Einsichten, lebensnahen Beispielen und klaren Forderungen an Politik und Gesellschaft macht er Mut, das Potenzial der dritten Lebensphase auszuschöpfen.
Seine Botschaft ist deutlich: „Ruhestand heißt nicht Stillstand. Wer neugierig bleibt und sich engagiert, hat die besten Jahre noch vor sich.“
Das Buch ist ein Appell an alle, die mehr wollen als nur den wohlverdienten Ruhestand. Es ist ein Plädoyer für ein neues Altersbild – aktiv, selbstbestimmt und zukunftsorientiert.
Ulrike und Jörg, Gründer von Wir BestAger, führten ein persönliches Gespräch mit dem Autor – einen Tag nach der Buchpräsentation in Wien.
fotocredits: Valerie Marie Voithofer
Wir BestAger:
Herr Dr. Drexel, in Ihrem Buch Irrtum Ruhestand betonen Sie, dass es nach dem Berufsleben nicht um Stillstand, sondern um Transformation geht. Welche ersten Schritte empfehlen Sie Best Agern, um diesen Wandel aktiv zu gestalten?
Drexel:
Ich rate allen, die kurz vor der Pension stehen: Geht nicht zu früh in Ruhestand – lasst euch Zeit. Gönnt euch einen sanften Übergang. Studien zeigen ganz klar, dass ein abrupter Schnitt – von 100 auf 0 – dem Menschen nicht guttut. Es ist, als würde ein Taucher ohne Dekompression auftauchen – das kann gefährlich werden. Genauso sollte man sich schrittweise an den neuen Lebensabschnitt gewöhnen.
Und dann: Gestaltet diese neue Freiheit bewusst! Überlegt euch, welche Aufgaben, Tätigkeiten oder Beschäftigungen zu euch passen – egal ob bezahlt oder ehrenamtlich. Wichtig ist, dass sie dem eigenen Naturell entsprechen, an die eigenen Stärken anknüpfen, vielleicht auch mal was ganz anderes sind. Auch etwas Kleines kann Sinn stiften.
Ich mag dazu ein Zitat von Viktor Frankl, das es auf den Punkt bringt: „Der Mensch im Alter erfährt Sinn, wenn er eine Aufgabe oder Arbeit hat.“

Wir BestAger:
Sie sprechen oft von Sinnfindung – inspiriert durch Viktor Frankl. Wie können Menschen ab 50 ihren Lebenssinn neu definieren?
Drexel:
Frankl hat erkannt, wie wesentlich Sinn im Leben ist – und das schon vor vielen Jahrzehnten. Und ich glaube, auch er hat sich auf Cicero bezogen, der 2000 Jahre früher lebte. Cicero schrieb das kleine Werk, das viele von uns noch aus der Schulzeit kennen, De Senectute – Über das Alter. Darin steht der wunderbare Satz: „Wer sich im Alter keine Aufgaben gibt, gibt sich selbst auf.“
Oder auch: „Fange nie an aufzuhören, und höre nie auf anzufangen!“ So weise. All das bestätigt auch die moderne Hirnforschung: Wer sein Gehirn im Alter nicht mehr fordert, riskiert kognitiven Abbau – bis hin zu Demenz.
Viktor Frankl sagt dazu: „Permanenter Ruhestand ist permanente Unterforderung – und Unterforderung ist schlimmer als Überforderung.“
Wir BestAger:
Viele BestAger stehen vor der Entscheidung: einfach das Leben genießen, weiterarbeiten oder ganz neue Wege gehen. Was raten Sie?
Drexel:
Jeder Mensch ist anders. Deshalb: Hört auf euer Innerstes. Was tut euch gut? Was interessiert euch? Wofür hattet ihr im Berufsleben nie Zeit? Danach sollte man neue Aufgaben auswählen.
Wir BestAger:
Haben Sie ein konkretes Beispiel?
Drexel:
Ja, ein besonders schönes sogar. Beim Stanglwirt in Tirol arbeitet Josefine Erhardt. Mit 70 Jahren hat sie sich den Traum erfüllt, im Bauernladen mitzuarbeiten. Heute ist sie 81, arbeitet immer noch dort und sagt: „Solange ich gesund bin, gehe ich arbeiten.“ Nicht ein paar Stunden – zwei bis drei volle Tage pro Woche. Das erfüllt sie.
Seit mein Buch erschienen ist, erzählen mir viele ihre Geschichten. Hätte ich die früher gehört – sie wären alle im Buch gelandet.
Wir BestAger:
Welche Fehler sehen Sie häufig beim Übergang in den Ruhestand?
Drexel:
Der häufigste Fehler: abrupt aufhören. Bis zum letzten Tag voll arbeiten – und dann plötzlich nichts mehr. Das kann eine Sinnkrise auslösen, einen sogenannten Pensions- und Beziehungsschock. Denn mit dem Beruf fallen oft auch soziale Kontakte weg – zu Kolleg:innen, Kund:innen, Geschäftspartner:innen. Diese Leere tut vielen nicht gut.
Der berühmte Wiener Arzt und Theologe Johannes Huber sagt: Wer abrupt oder zu früh in Pension geht, riskiert einen Altersschub – man altert über Nacht um mehrere Jahre. Körperlich und geistig – und hat mit Folgeerscheinungen zu kämpfen. Das tut nicht gut.

Wir BestAger:
Wie lässt sich das vermeiden?
Drexel:
Indem man einen fließenden Übergang gestaltet. Vielleicht beginnt man, in der Pension nur noch drei Tage pro Woche zu arbeiten. Oder reduziert später weiter – auf ein oder zwei Tage.
Wichtig ist, dass man die gewonnene Zeit sinnvoll nutzt: für neue Aufgaben, für Herzensprojekte. Das können Ehrenämter sein, Hobbys, familiäre Betreuung – was immer einem Freude macht.
Wir BestAger:
Welche Rolle spielt Ihrer Meinung nach ein starkes soziales Netzwerk?
Drexel:
Eine ganz zentrale. Die Harvard-Langzeitstudie, eine der längsten der Welt, untersucht seit über 85 Jahren, was Menschen glücklich macht. Und das Ergebnis ist klar: Es sind Beziehungen. Nicht Reichtum, nicht Karriere – sondern soziale Bindungen, die es gilt aufzubauen, zu pflegen und weiterzuentwickeln, das macht den Menschen glücklich.
Wenn mit der Pension die beruflichen Kontakte wegbrechen und man zu wenige private Beziehungen aufgebaut hat, kann das sehr belastend sein.
Deshalb: Freundschaften pflegen, Netzwerke aufbauen – das ist ein Lebenselixier.
Wir BestAger:
Sie sagen: Die späten Jahre können die besten sein. Wie kann man seine Lebenserfahrung dafür einsetzen?
Drexel:
Indem man in sich hineinhört: Was fordert mich? Was würde mich erfüllen?
Ich selbst habe mir mit 65 einen Lebenstraum erfüllt und mein erstes Buch geschrieben – Auf den Spirit kommt es an.
Das hat mir so viel Freude bereitet, dass ich bald mein zweites geschrieben habe – Irrtum Ruhestand. Und wer weiß – vielleicht folgt irgendwann noch eines. Aber ich mache mir keinen Druck. Das Schöne ist ja: Ich muss nicht arbeiten – ich darf arbeiten.
Wir BestAger:
Bevor wir in die Zielgerade dieses Gespräches gehen, noch eine letzte Frage, die bereits viel diskutiert wird, aber politisch offensichtlich noch nicht angekommen ist: Wer in Österreich als Pensionist weiterarbeitet, wird steuerlich und seitens der Sozialversicherung regelrecht bestraft.
Wie sehen Sie das und was fordern Sie?
Drexel:
Ganz klar: Das muss sich ändern! Pensionist:innen zahlen doppelt – Lohnsteuer, Sozialversicherung, sogar Pensionsversicherungsbeiträge, obwohl sie schon in Pension sind. Das ist absurd. Eine faire Lösung wäre eine Flat Tax – ohne enge Verdienstgrenzen.
Und das gesetzliche Pensionsantrittsalter gehört der gestiegenen Lebenserwartung angepasst. Seit 1950 ist die Lebenserwartung in Österreich um 17 Jahre gestiegen – das faktische Pensionsantrittsalter liegt aber seit Anfang der 70er-Jahre konstant bei 61 Jahren. Wenn wir nichts tun, erleben wir einen systemischen Arbeitskräftemangel.
Deshalb sage ich: Länger arbeiten – wenn man gesund ist – ist eine Win-win-win-Situation. Für den Menschen, für die Unternehmen, für den Staat.
Wir BestAger:
Welche zentrale Botschaft möchten Sie mit Ihrem Buch Irrtum Ruhestand unseren BestAgern mitgeben?
Drexel:
Unterschätzt euch nicht!
Auch im Ruhestand habt ihr Entwicklungspotenzial – und Veränderungsfähigkeit. Viele glauben: Jetzt ist alles vorbei. Aber ich sage: Der Ruhestand ist ein Entwicklungsgeschenk – wenn man gesund ist, ein wahres Privileg.
Wenn jemand mit 60 in Pension geht und 90 wird – dann hat er 50 Prozent seines bisherigen Lebens noch vor sich. Und die will man doch nicht nur „absitzen“. Wir brauchen ein neues Altersbild.
Nicht das Bild vom alten Menschen auf dem Abstellgleis – sondern eines voller Chancen und Möglichkeiten.
Wir BestAger:
Vielen Dank Herr Dr. Drexel für das Gespräch!

Über Dr. Gerhard Drexel
Manager, Autor und Vordenker für ein neues Altersbild
Dr. Gerhard Drexel zählt zu den bekanntesten Wirtschaftsmanagern Österreichs. Der promovierte Betriebswirt studierte in St. Gallen und Innsbruck, war Berater am renommierten Malik Management Zentrum St. Gallen und trat 1990 in den Vorstand der SPAR Österreich-Gruppe ein. Von 2001 bis 2020 führte er das Unternehmen als CEO und machte SPAR 2020 zum Marktführer im heimischen Lebensmittelhandel. Seit 2021 ist Drexel Aufsichtsratspräsident der Gruppe und seit 2023 Honorarprofessor an der Universität Innsbruck.
Mit seinem neuen Buch „Irrtum Ruhestand – Wie die späten Jahre die besten werden“ wagt Drexel einen mutigen Perspektivwechsel: Statt Rückzug predigt er Transformation. Er beleuchtet, wie Menschen nach der Pensionierung neue Aufgaben finden, ihren Lebenssinn neu definieren und ihre Erfahrung gezielt einsetzen können.
Inspiriert von Viktor Frankl, verbindet er persönliche Einblicke mit wissenschaftlichen Erkenntnissen aus Psychologie, Medizin, Wirtschaft und Spiritualität.
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